Mittwoch, 17. Juni 2009

FPÖ beantragt verpflichtendes Vorschuljahr statt Pflichtkindergarten



Entschließungsantrag


der Abgeordneten Kitzmüller
und weiterer Abgeordneter

betreffend den kostenlosen halbtägigen Kindergarten und die verpflichtende Vorschule für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 4, Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (205 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungs-einrichtungen (210 d.B.), in der 27. Sitzung des Nationalrates am 17. Juni 2009

Der Besuch des Kindergartens stellt einen wichtigen Beitrag zur sozialen und kulturellen Entwicklung der Kinder dar. Der kostenlose Kindergartenbesuch ist daher absolut zu befürworten.

Der verpflichtende Kindergartenbesuch für 5-Jährige stellt jedoch einen massiven Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Familienlebens dar, der allein unter der Begründung, dass Kinder mit Migrationshintergrund, die kaum oder gar nicht deutsch sprechen dadurch besser auf die Schule vorbereitet werden könnten, nicht gerechtfertigt erscheint.

Die Ergebnisse der Studie zur „Frühkindlichen Sprachstandsfeststellung im Kindergarten“, welche im Frühjahr dieses Jahres vom „bifie“ (Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens) herausgegeben wurde, lässt auch Schlüsse auf die Auswirkungen des Pflichtkindergartens auf die Fortentwicklung der Sprachkenntnisse nach und während des Kindergartenbesuchs zu.

Bei der Studie wurde in mehreren Bundesländern der Sprachstand der Kindergartenkinder und der damit einhergehende Förderbedarf ermittelt. So haben beispielsweise in Kärnten 93,1% der türkischen Kinder im Kindergarten einen Förderbedarf. In Salzburg sind es 92,8%, in der Steiermark 72,9%. In Wien, wo sich bekanntlich nur ein Teil der Migrantenkinder überhaupt in Kinderbetreuung befinden und man bei diesen durchaus von einer positiven Auslese sprechen kann, weil nur Eltern, die der Integration grundsätzlich positiv gegenüberstehen, ihre Kinder in den Kindergarten geben, wurde trotz aller Integrationsbemühungen mit zusätzlichen Betreuern, etc. ein Förderbedarfsanteil von 80,2% bei Wiener Kindergartenkindern mit türkischer Herkunft ermittelt. Bei Kindergartenkindern aus Ex-Jugoslawien wurden Anteile beim Förderbedarf zwischen 50 und 60% erreicht. Kinder mit deutscher Erstsprache kommen auf etwa 10% Förderanteil. Dabei handelt es sich um Kinder, die bereits jetzt einen Kindergarten besuchen. Wenn nun jene Familien mit Migrationshintergrund, die ihre Kinder derzeit noch nicht im Kindergarten untergebracht haben, diese durch die beschlossene Verpflichtung in den Kindergarten geben, wird sich dadurch die soziale und sprachliche Entwicklung der jetzigen Kindergartenkinder erschweren.

Mit folgenden weiteren Auswirkungen ist durch die Einführung der Kindergartenpflicht zu rechnen:

Die Auswirkungen in ländlichen Gemeinden, wo ohnehin schon fast jedes 5-Jährige Kind den Kindergarten besucht, werden sich in Grenzen halten. In den Ballungszentren mit höheren Migrantenanteilen wird es jedoch zu Problemen kommen. Dazu muss kurz ausgeholt werden. Der Erwerb der deutschen Sprache kann in Kindergartengruppen gut funktionieren, wenn das Kind mit fremder Muttersprache in einer Gruppe mit möglichst wenigen oder keinen anderen Kindern aus dem gleichen Sprachraum zusammentrifft, es also mehr oder weniger gezwungen ist, sich mit den Kindern in der deutschen Landessprache auszutauschen. Anders sieht es aus, wenn mehrere Kinder oder gar eine Mehrheit aus dem gleichen fremdsprachigen Sprachraum stammen. Dann funktioniert der Spracherwerb ohne ein mehr oder weniger verschultes System nur schwer oder gar nicht. Dieser Fall wird vor allem in Wien, den Landeshauptstädten und weiteren Städten und Gemeinden mit hohen Migrantenanteilen eintreten. Es ist zu befürchten, dass heimische Mittelstands-Familien, die es sich irgendwie leisten können, in private Einrichtungen ausweichen. Die aus ökonomisch schwächeren Familien stammenden einheimischen Kinder könnten sich dann einer migrantischen Mehrheit im öffentlichen Kindergarten gegenübersehen. In welche Richtung die Integration dann abläuft, ist einleuchtend.

Aufgrund der schon jetzt absehbaren mäßigen Auswirkungen des Pflichtkindergartens auf die sprachliche Kompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund ist zu befürchten, dass nach einer entsprechenden Evaluierung in einigen Jahren die Kindergartenpflicht auch auf jüngere Kinder ausgedehnt wird.

Der einzig zielführende Weg zum rechtzeitigen Spracherwerb vor der Einschulung stellt ein verpflichtendes Vorschuljahr für 5-Jährige Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen dar. In der Vorschule könnte der Spracherwerb durch Lehrer in schulähnlicher Struktur erfolgen. Sollte das Lernziel, nämlich ausreichende Sprachkenntnisse für die Einschulung nach einem Vorschuljahr nicht erreicht werden, könnte ein weiteres „Sprach“-Jahr in der Vorschule absolviert werden, um mit 7 Jahren entsprechend gerüstet dem Volksschul-Regelunterricht in der Unterrichtssprache Deutsch folgen zu können.

Die unterfertigten Abgeordneten sind der Meinung, dass es nicht zielführend ist, alle gesellschaftspolitischen Fehlentwicklungen zur vermeintlichen Lösung in den Kindergarten abzuschieben, da dieser dafür nicht eingerichtet wurde. Der Kindergarten ist der Ort, an dem Kindern grundlegende Kulturtechniken vermittelt, sowie die Sozialisation, Eingliederung in eine Gruppe und der Umgang miteinander entwickelt und verbessert werden sollen.

Ähnlich wird dies offenbar von Seiten der Kindergartenpädagogen gesehen. Während in der Bundesrepublik Deutschland zehntausende Erzieherinnen streiken, regt sich auch in Österreich Unmut. In der Tageszeitung „Österreich“ war am 17. Juni 2009 unter anderem folgendes zu lesen:

„(…) Heute fixiert das Parlament den (Anm.: verpflichtenden) Gratis-Kindergarten. Doch die Kindergartenpädagoginnen fürchten schlechte Arbeitsbedingungen – und wollen streiken. (…) Die Kindergarten-pädagoginnen aber proben indes den Aufstand. Untragbar seien die Arbeitsbedingungen bereits jetzt. Zu wenig Lohn und Überforderung machen den Pädagoginnen zu schaffen – schon nächste Woche könnte es in Wien zu ersten Protestaktionen kommen, in Salzburg ist überhaupt von Streik die Rede.
Zu viele Kinder pro Pädagogin. Die Pädagoginnen befürchten Verschlechterungen durch den (Anm.: verpflichtenden) Gratis-Kindergarten: „In Wien sollten zwar per Gesetz höchstens 25 Kinder auf eine Kindergärtnerin kommen, aber es gibt schon illegale Praktiken“, so Tina Botka von der Plattform Kindergartenaufstand, bei der sich Wiener und niederösterreichische Pädagoginnen vernetzen. „Man meldet 27 Kinder an und sagt, dass eh immer zwei krank sind. Individuelle Förderung ist so unmöglich.“ (…)“

Eine weitere Befürchtung der Unterfertigten, die die Einführung einer verpflichtenden Vorschule unterstützt, besteht darin, dass absolut integrationsunwillige Migranten dem verpflichtenden Kindergarten ausweichen könnten, indem einzelne Elternteile über eine Tageselternausbildung die Betreuung der eigenen Kinder und gegebenenfalls der Nachbarskinder selbst und ohne Integrationsfortschritt (steuerlich absetzbar) durchführen. Diese Ausweichmöglichkeiten bestünden bei einer verpflichtenden Vorschule nicht.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Ländern in Verhandlung zu treten und dem Nationalrat entsprechende Regierungsvorlagen zuzuleiten, welche unter anderem folgende Punkte beinhaltet:

1. Die Einführung des bundesweiten halbtägigen kostenlosen Kindergartens für österreichische Staatsbürger und EU-Bürger ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt.

2. Die Einführung einer verpflichtenden Vorschule für Kinder mit Wohnsitz in Österreich im letzten Jahr vor der Einschulung, wenn diese die deutsche Sprache für eine ordentliche Teilnahme am Volksschulunterricht nicht ausreichend beherrschen.“

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